Werbemails: Beweis des Versenders für Einwilligung zum Empfang
OLG Düsseldorf: Die Versendung von Werbemails ohne konkrete Einwilligung des Empfängers ist ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Urteil vom 22.09.2004, Az: I 15 U 41/04.

Bemerkungen zu dem Urteil des OLG Düsseldorf:
Das Urteil beschäftigt sich mit der Problematik der Versendung von Werbemails unter Geltung des >> neuen Wettbewerbsrechts (UWG). Die Versendung ohne Einwilligung des Empfängers stellt sich nach wie vor als Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Empfängers dar. Das Urteil stellt insbesondere Voraussetzungen für die Annahme der Einwilliung zum Erhalt von Werbemails auf. Hiernach muss der Versender konkrete Umstände für das Vorliegen der Einwilligung des Empfängers nachweisen.

Aus dem Urteil:
Der Kläger ist Inhaber der Domain "xyz.de" und Nutzer der E-Mail-Adresse "xyz@xxxx.de". Am 01.07.2003, 12.38 Uhr, erhielt der Kläger von der Beklagten eine Werbe-E-Mail mit dem aus Anlage K 1 zur Klageschrift ersichtlichen Inhalt. Diese Mail war gleichzeitig an eine Vielzahl von Rechtsanwälten und Steuerberatern versandt worden. Angeboten wurde zum Jahrespreis von 60,00 EUR die Bereitstellung von sogenannten Mandantenbriefen, die auf dem Briefpapier des jeweiligen Rechtsanwalts oder Steuerberaters ausgedruckt und sodann zur Pflege der Beziehung an Mandanten verschickt werden konnten. Am 02.07.2003 forderte der Kläger die Beklagte zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf; ferner sollte sich die Beklagte auch zur Erstattung der angefallenen auf einen Streitwert von 6.000,00 EUR berechneten Anwaltskosten bereit erklären. Die Beklagte gab die geforderte Erklärung nicht ab, sandte dem Kläger aber auch keine weiteren E-Mails zu.

Der Kläger vertritt die Auffassung, er habe gegen die Beklagte einen Anspruch nach §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB auf Unterlassung der Zusendung weiterer Werbemails.

Er hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen, E-Mails zum Zwecke der Werbung ohne Aufforderung oder ohne Einverständnis des Klägers an diesen unter der E-Mail-Adresse xyz@xxxx.de zu richten.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, der Kläger könne sich nur selbst in die Verteilerliste der E-mails eingetragen haben. Dazu hat sie angegeben, der genaue Vorgang könne bei derzeit 70.000 E-Mail-Adressen im Verteiler nicht mehr rekonstruiert werden, weil der Eintragungsvorgang spätestens nach vier Wochen gelöscht werde.

Die Beklagte meint, dass mangels Eingriffes in das Schutzrecht des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs sowie mangels Gefahr der Wiederholung der Zusendung einer E-Mail ein Anspruch des Klägers nicht bestehe.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

Es hat die Auffassung vertreten, die Zusendung der unverlangten E-Mail habe zwar in das Recht des Klägers am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eingegriffen, jedoch scheitere ein Unterlassungsanspruch des Klägers an der fehlenden konkreten Wiederholungsgefahr. Zwar vermöge in der Regel die vorangegangene Verletzungshandlung bereits eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen der Wiederholungsgefahr aufzustellen, an deren Widerlegung grundsätzlich hohe Anforderungen zu stellen seien. Das bloße Versprechen, die störende Handlung nicht mehr vorzunehmen, räume die Wiederholungsgefahr in der Regel nicht aus. Vorliegend sei jedoch eine auf Tatsachen gegründete objektiv ernstliche Besorgnis weiterer Störungen nicht ersichtlich. Die Beklagte habe den Kläger aus dem Verteiler genommen, der Kläger habe in der Folge keine weiteren E-Mails mehr erhalten. Überdies sei die konkret verursachte Beeinträchtigung lediglich geringfügig.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Hinsichtlich der Beurteilung der Wiederholungsgefahr stehe das Urteil des Landgerichts im Widerspruch zu der Rechtsprechung der Obergerichte. Die Wiederholungsgefahr ergebe sich, so meint der Kläger, bereits daraus, dass die Beklagte die geforderte strafbewehrte Unterlassungserklärung nicht abgegeben habe.

Der Kläger beantragt, wie erkannt.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie meint, bereits der Zeitablauf spreche gegen das Vorliegen der Wiederholungsgefahr.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.
Die Berufung ist zulässig. Im Besonderen übersteigt die Beschwer des Klägers 600,00 EUR (§ 511 Abs. 2 Ziffer 1 ZPO).

Maßgebend für die Bemessung der Beschwer ist das Interesse des Klägers an der Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung. Dabei ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten (Gummer/Heßler in Zöller, ZPO, 24. Aufl. § 511 ZPO Rdnr. 13 m.w.N.). Die Rechtsprechung zur Bewertung des Wertes von auf Unterlassung unerwünschter E-Mail-Werbung gerichteter Klagen ist uneinheitlich. Soweit ersichtlich ist bislang selbst in Verfahren über den Erlass einstweiliger Verfügungen in keinem Fall eine Beschwer unterhalb der durch § 511 Abs. 2 Ziffer 1 ZPO gezogenen Schwelle angenommen worden. Die festgesetzten Streitwerte bewegen sich vielmehr in einer Bandbreite zwischen 2.000,00 DM (OLGR Celle 2002, 48) und 15.000,00 DM (KG MMR 2003, 110).

Dem steht nicht entgegen, dass das Landgericht Rostock im Fall der Verurteilung eines Verfügungsbeklagten dessen Beschwer mit 250,00 EUR angesetzt hat (LG Rostock, MMR 2003, 595). Es ging dort - ganz anders als hier - um die Bemessung der Beschwer des Verfügungsbeklagten. Das Landgericht Rostock hat bei der Bemessung von dessen Beschwer den Aufwand für die von ihm zu leistende Arbeit zur Sicherstellung künftiger Unterlassung zugrunde gelegt und diesen Aufwand mit 250,00 EUR beziffert.

Die Berufung ist auch begründet.

a) Das Landgericht hat allerdings die streitige E-Mail zu Recht als rechtswidrigen Eingriff in das Recht des Klägers am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb qualifiziert. Der Senat folgt insoweit den zutreffenden und sorgfältig begründeten Ausführungen des Ersturteils und merkt lediglich Folgendes ergänzend an:

Die bislang in der Rechtsprechung vorgenommene Bewertung bereits der Übersendung einer einzigen Werbenachricht als unterlassungsrelevanter Eingriff in die Rechte des Empfängers am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (OLG München MMR 2004, 324 ff. ) findet ihre Bestätigung jetzt auch in § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG in der seit 8.7.2004 geltenden Fassung )dazu Köhler, NJW 2004, 2121, 2125). Diese Vorschrift brandmarkt ausdrücklich Werbung mit elektronischer Post unter Umsetzung von Art. 13 der Datenschutzrichtlinie 2002/58/EG als unzumutbare Belästigung, soweit eine Einwilligung des Adressaten nicht vorliegt oder der Werbende die E-Mail-Adresse eines Kunden nicht im Zusammenhang mit dem Kauf einer Ware oder Dienstleistung erhalten hat und er sie deshalb unter bestimmten weiteren Voraussetzungen auch für die Direktwerbung für eigene ähnliche Waren oder Dienstleistungen nutzen darf (§ 7 Abs. 3 UWG). Eine Unterscheidung zwischen Verbrauchern und Unternehmern als Adressaten findet nicht statt.

Aus der Formulierung des § 7 Abs. 2 Ziffer 3 UWG ergibt sich die auch vom Landgericht angenommene Darlegungs- und Beweislast des Werbenden für das Vorliegen einer Einwilligung des Adressaten. Diese kann sich, liegt sie nicht in ausdrücklicher Form vor, nur aus konkreten Umständen ergeben. Das nur potentielle, von der Beklagten vor der Versendung der E-Mail nicht weiter hinterfragte Interesse des Klägers reicht zur Begründung derartiger konkreter Umstände nicht aus.

Die nach dem Gesetz über den unlauteren Wettbewerb fehlende Klagebefugnis des durch die elektronische Post als Empfänger Betroffenen - das UWG sieht weiterhin nur die Klagebefugnis von Mitbewerbern des Werbenden sowie von Verbänden vor (§ 8 Abs. 3 UWG) - erfordert hier den Rückgriff auf das durch die Rechtsprechung entwickelte Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb.

Dabei wird nicht verkannt, dass eine einzelne unerwünschte Werbe-E-Mail den Grad bloßer Belästigung nicht überschreiten mag. Der Anteil von Werbe-E-Mails lag weltweit jedoch etwa im Februar 2004 nach einer Studie bei 62% des gesamten E-Mail-Verkehrs (Heidrich, Anmerkung zu OLG München, MMR 2004, 324, 325). Hieraus erhellt sich ohne weiteres, dass die einzelne Werbe-E-Mail nicht isoliert betrachtet werden darf, sondern als Teil des nach allgemeiner Auffassung zu bekämpfenden Spamming aufzufassen ist. Die erwähnte Datenschutzrichtlinie liefe im Übrigen, wäre den durch den Empfang von Werbe-E-Mails betroffenen Unternehmen die Berufung auf das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb oder betroffenen Verbrauchern die Berufung auf das Persönlichkeitsrecht versagt, leer. Die Betroffenen müssten ohnmächtig abwarten, ob Mitbewerber oder Verbände, abhängig von deren jeweiligen Interessen, tätig werden.

Art. 12 GG steht der Bewertung des Eingriffs als rechtswidrig nicht entgegen. Die Untersagung der E-Mail-Werbung versagt der Beklagten nicht ihr Gewerbe, nämlich Erstellung und Verkauf von Mandantenbriefen. Nur eine bestimmte Form der Werbung hierfür ist von der Untersagung betroffen.

b) Der Auffassung des Landgerichts, der Unterlassungsanspruch des Klägers scheitere an der fehlenden konkreten Wiederholungsgefahr, ist jedoch nicht zu folgen.

Die vorangegangene rechtswidrige Beeinträchtigung begründet in der Regel die tatsächliche Vermutung für die vom Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB vorausgesetzte Wiederholungsgefahr (BGH NJW 1986, 2503, 2504). An die Widerlegung dieser Gefahr durch den Störer sind hohe Anforderungen zu stellen (Palandt/Bassenge, BGB, 63. Aufl., § 1004 BGB, Rn. 32 m.w.N.). Das bloße Versprechen, die störende Handlung nicht zu wiederholen, kann die Wiederholungsgefahr nur ausräumen, wenn es in Verbindung mit einer Vertragsstrafe erklärt wird (BGH NJW 1989, 902, 904; BayObLGZ 1995, 174; Palandt/Bassenge, BGB, 63. Aufl., § 1004 BGB, Rn. 32).

Die Beklagte gab die vom Kläger geforderte strafbewehrte Unterlassungserklärung nicht ab. Es kann nur vermutet werden, dass diese Entscheidung der Beklagten ihren Grund auch darin hatte, dass ihr, der Beklagten, die vom Kläger in der vorformulierten "Unterlassungs/Verpflichtungserklärung" eingefügte Vertragsstrafe von 6.000,00 EUR als zu hoch erschien oder sie fürchtete, die vom Kläger gleichzeitig mit dem Erklärungsentwurf übersandte Honorarrechnung durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung gleichsam anzuerkennen. Die Beklagte hätte eine unangemessen hohe Vertragsstrafe jedoch ohne weiteres nach unten korrigieren und das Vertragsstrafeversprechen außerdem unter Verwahrung gegen die Kostenlast aus der Honorarrechnung abgeben können.

Urteil vom 22. September 2004– I-15 U 41/04

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Quelle: OLG Düsseldorf (http://www.olg-duesseldorf.nrw.de)

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